Jeder zweite Pflegende im Dauerstress
Wer kranke Angehörige betreut, darf die eigene Gesundheit nicht vergessen
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Rund zwei Drittel der Pflegebedürftigen in Deutschland lassen sich zu Hause ver- sorgen. Grafik: Techniker Krankenkasse |
Über zwei Millionen Menschen in Deutschland sind pflegebedürftig. Fast die Hälfte von ihnen wird ausschließlich von den eigenen Angehörigen zu Hause versorgt. Wie sehr dies die Laienpfleger belastet, zeigt eine aktuelle Forsa-Umfrage in Auftrag der Techniker Krankenkasse (TK). Dort gab fast jeder zweite pflegende Angehörige an, dass ihn die Aufgabe an den Rand eines Burnouts bringt. Sie bestimmt oft ihr ganzes Leben und ist unter den Pflegenden Stressfaktor Nummer eins.
Um ihnen so lange wie möglich das Zuhause zu erhalten, betreuen Eltern ihre schwerkranken Kinder, pflegen Kinder ihre Eltern und Eheleute ihre Partner manchmal rund um die Uhr, ohne Feiertag oder Urlaub.
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“Die Pflege ist eine anstrengende Arbeit, bei der viele Angehörige an ihre Grenzen geraten, sich selbst überfordern und ihre Gesundheit vernachlässigen”,
sagt TK-Pflegeexpertin Marina Mücke (Foto links).
Den Tribut zahlen sie auch körperlich: So leiden sechs von zehn Pflegenden laut der TK-Studie unter Rückenschmerzen, jeder Fünfte unter Herz-Kreislauf-Beschwerden. Ein Viertel der Pflegenden schläft schlecht und vielen drückt die Last auch auf den Magen: Fast jeder Fünfte gab dies an.
“Wer einen Angehörigen pflegt, sollte von vornherein darauf achten, sich nicht zu übernehmen – ohne Pausen ist die Mammut-Aufgabe kaum zu bewältigen. Deshalb ist es ist wichtig, sich immer wieder Freiräume zu schaffen, um sich zu erholen und neue Kraft zu schöpfen”, rät Mücke. Häufig reiche schon ein regelmäßiger freier Nachmittag oder Abend. Können keine Verwandten, Freunde oder Nachbarn einspringen, verhilft ein ambulanter Pflegedienst zur Pause vom Pflegealltag.
“Was viele nicht wissen: Auch eine Pflegender darf sich eine Auszeit nehmen – zum Beispiel für einen Urlaub, Sportkurs oder den sonntäglichen Kaffeeklatsch mit Freundinnen. Dafür kann die Ersatzpflege in Anspruch genommen werden”, so die Pflegeexpertin.
Diese ist für bis zu 28 Tagen im Jahr möglich, und die Pflegeversicherung übernimmt dafür bis zu 1.470 Euro. Darüberhinaus ist bei der Pflegeversicherung ausdrücklich vorgesehen, das Pflegegeld für Angehörige mit der Hilfe eines Pflegedienstes zu kombinieren. Alternativ ist eine Tages- oder Nachtpflege möglich – etwa wenn die Angehörigen arbeiten müssen oder die Pflege über Nacht in professionelle Hände legen möchten. “Viele Angehörige sehen es als persönliche Schwäche, wenn sie professionelle Hilfe brauchen. Doch das ist ein Fehler”, sagt Mücke. Ein häufiges Problem sei, dass die Pflegenden sich zwar einen Ausflug oder Kurzurlaub vornehmen, ihn aber immer weiter vor sich herschieben.
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Mut zur Auszeit – Kraft zur Pflege Foto: Techniker Krankenkasse |
Mücke empfiehlt pflegenden Angehörigen, regelmäßige Auszeiten fest einzuplanen. “Sie sind nicht nur für den Pflegenden wichtig – indirekt helfen sie auch dem betreuten Angehörigen. Wer sich gestresst und überlastet fühlt, ist unausgeglichen, unzufrieden und reagiert schnell aggressiv”, sagt die Pflegexpertin.
Das bestätigt auch die TK-Studie: Jeder dritte Pflegende gab darin an, sich ständig nervös und gereizt zu fühlen. “Für eine gewisse Zeit können sie das vielleicht noch unterdrücken. Aber irgendwann ist der Punkt erreicht, an dem sie einfach nicht mehr können”, so Mücke. Damit es erst gar nicht so weit kommt, sei es wichtig, sich rechtzeitig Hilfe zu holen.
Auch der Austausch in Selbsthilfegruppen hilft vielen pflegenden Angehörigen.
Denn: “Die sozialen Kontakte leiden häufig sehr stark unter der Pflege”, so Mücke. Solche Treffen seien eine gute Chance für den Austausch mit anderen Menschen in ähnlicher Situation: “Schon allein die Erfahrung, dass man nicht der Einzige mit solchen Sorgen ist, tut den meisten Betroffenen sehr gut.” TK-Versicherten stehen zudem Pflegekräfte zur Seite, wenn es um Hilfen für den Pflegealltag geht. So geht etwa anstrengendes Heben und Umbetten mit der richtigen Technik leichter von der Hand. “Das spart nicht nur Kraft, sondern verhindert beispielsweise auch Rückenleiden”, erklärt Pflegeexpertin Mücke. Die Kosten für Kurse und individuelle Schulungen in den eigenen vier Wänden übernimmt nach Rücksprache die Pflegeversicherung.
Quelle: Techniker Krankenkasse
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Auszeiten sind nicht nur für den Pflegenden wichtig. Denn wer gestresst ist, ist unausgeglichen, unzufrieden und reagiert schnell aggressiv. Sind die pflegenden Angehörigen dagegen mit sich selbst im Reinen, können sie sich ihrem Schützling auch entspannter und mit ausreichend Energie widmen.
Tags: Angehörige, Auszeit, Dauerstress, Ersatzpflege, Pflege, Pflegebedürftige, Pflegedienst, Pflegeversicherung, Techniker Krankenkasse, TK-Studie, Urlaubspflege