Kloster statt Karibik
Die Suche nach dem Ich
Urlaub im Kloster: Immer mehr Zivilisationsmüde und Gestresste verbringen dieses Jahr ihren Sommerurlaub bei den Mönchen in ostbayerischen Klöstern und Abteien statt unter südlicher Sonne – Suche nach Ruhe und neuem Sinn im Leben
Rohr/Weltenburg/Niederaltaich (obx) – Zwei Jahrtausende lang waren Klöster Zentren des Wissens, der Spiritualität und Macht – und meist hermetisch abgeschottet gegen die Außenwelt. Heute öffnen immer mehr dieser Inseln der Ruhe zivilisationsmüden und von Stress geplagten Gästen ihre Tore: In Deutschland bieten bereits weit über 100 Klöster eine „Einkehr auf Zeit“. Ostbayern liegt mit dem Urlaub hinter Klostermauern ganz vorne. In keiner anderen Region Deutschlands ermöglichen mehr Abteien Außenstehenden, einige Tage im Tagesrhythmus der Mönche zu leben. Allein sechs Benediktinerklöster zwischen Passau und Regensburg haben in diesem Sommer den „Urlaub mit den Mönchen“ im Angebot – und die Programme werden immer beliebter. Für viele Klosterziele gibt es bereits heute lange Wartezeiten.
Mehrere tausend Manager, Politiker, Mediziner und Juristen haben sich in Ostbayern in den letzten vierzig Jahren bereits den schwarzen Chormantel der Benediktiner übergeworfen. Und seitdem sich der Ostbayer Joseph Ratzinger nach seiner Wahl zum Papst den Namen „Benedikt XVI.“ gegeben hat, erleben die Klöster in seiner ehemaligen Heimat zwischen Passau und Regensburg – ungeachtet der Negativschlagzeilen für die Katholische Kirche in den vergangenen Monaten – einen zusätzlichen Besucherboom.
Der „Ausstieg ins Kloster“ ist allerdings alles andere als ein Komforturlaub: Ein Tag in einer der ostbayerischen Benediktinerabteien Niederaltaich, Rohr, Metten, Schweiklberg, Plankstetten und direkt am Donaudurchbruch bei Weltenburg beginnt in der Regel morgens um halb sechs mit dem Gebet. Nach einer Stunde in Stille frühstücken die Mönche. Danach folgt eine halbe Stunde der Zwiesprache mit Gott. Der Arbeitstag beginnt um acht: mit Gartenarbeit, Handwerk, lernen und lesen in der Bibliothek.
Nach dem Mittagsgebet lauschen die Mönche auf Zeit dem Lektor, der Gelehrtes oder Nachdenkliches liest. Am Nachmittag bleibt Zeit für Spaziergänge am „Grünen Dach Europas“ oder an der Donau und für Einzelbegegnungen. Das Tageswerk endet nach der Nachmittagsarbeit mit dem Abendgebet. Nach dem Essen ruft die Klosterglocke zum Gebet und zur Nachtruhe – noch bevor draußen im Fernsehen die Tagesschau über den Bildschirm flimmert.
„Wer ausschließlich Erholung sucht oder Urlaub machen möchte, für den ist ein Kloster nichts“, warnt Frater Franziskus Neuhausen, der im niederbayerischen Kloster Rohr (Landkreis Kelheim) die „Mönche auf Zeit“ betreut. Richtig seien dort diejenigen, die zur Ruhe kommen oder abschalten, sich aber nicht gleich durch Gelübde an diese Lebensform binden wollen.
Tausende Manager, Politiker, Mediziner und Juristen haben sich in den letzten Jahren den Chormantel angezogen. Fotos: obx-news |
Trotz des scheinbar unattraktiven Urlaubsverlaufs suchen heute immer mehr Wohlstandsmüde, Gestresste, Wahrheitssuchende, Einzelgänger, Festgefahrene und Ausgebrannte im Kloster die Ruhe vor der Welt, seelischen Frieden und oft einen Weg zu sich selbst. Dafür halten freiheitsliebende Künstlernaturen gehorsam strenge Stundenpläne ein, Erfolgsmenschen gewöhnen sich an karge Menüs und harte Möbel, Manager unterwerfen sich dem Schweigegebot.
Die fast 1300 Jahre alte Abtei Niederaltaich im Landkreis Deggendorf in Niederbayern war vor 45 Jahren bundesweit das erste Kloster, das sich den weltlichen Bewohnern öffnete. „Ein großes Wagnis, denn die katholische Kirche war noch nicht so weit“, sagt heute der Prior der Abtei, Vinzenz Proß, im Rückblick. Bekehren wollen er und seine Brüder die „Klosterurlauber“ nicht. Die Gäste sollen wichtige neue Impulse für ihr Leben finden und Raum, sich jenseits vom Alltagsstress zu entfalten.
Eine Woche im Kloster („Vollpension mit Nasszimmer“) kostet in Ostbayern zwischen 300 und 500 Euro. Nicht eingeschlossen sind in diesen Preisen allerdings die weltlichen Vergnügungen, die Klosterurlaubern während ihrer „Auszeit“ bei den Mönchen vorenthalten bleiben, aber beliebt als „Urlaubssouvenirs“ sind: Schnaps und Bier aus den klostereigenen Brauereien, die nahezu jeder Abtei angeschlossen sind.
Detlef Klemme Chefredakteur im BLiCKpunkt Medienverbund |
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